Was feiern wir da eigentlich?
- Sandra Maria Sabitzer
- 9. Okt.
- 2 Min. Lesezeit
Ein leiser Gedanke zum 10. Oktober
Ich bin keine Historikerin. Ich hab keine fertige Meinung. Aber ich hab ein Gefühl.
Und das lässt mich jedes Jahr am 10. Oktober ein bisschen stolpern.
Man gedenkt der Volksabstimmung von 1920. Damals entschied sich eine Mehrheit in der „Zone A“ – einem Gebiet in Südkärnten mit gemischtsprachiger Bevölkerung – für den Verbleib bei Österreich und gegen den Anschluss an das damalige Königreich SHS (aus dem u. a. Slowenien hervorging).
59,04 % der Stimmen lautete das Ergebnis. Ein politisches Symbol – für Einigkeit, österreichische Identität, Heimat. So steht’s in den Geschichtsbüchern. So klingt es auch bei den offiziellen Feiern.
Und trotzdem frage ich mich:Was genau feiern wir da eigentlich?
Ich frage mich: Was war mit jenen, die nicht mitentscheiden durften? Was war mit der Propaganda auf beiden Seiten, mit den Machtverhältnissen, mit den Versprechen an die slowenisch-sprachige Bevölkerung, die später oft nicht eingehalten wurden?
Das Ergebnis wird als Sieg für Kärnten gefeiert. Als Zeichen für Zusammenhalt. Für Heimat. Für „unser Land“.
Und trotzdem frage ich mich: Wer ist eigentlich „wir“?
Ich denke an die Kärntner Slowen*innen. Menschen mit zweisprachigen Wurzeln. Mit Kultur, Identität, Geschichte.
Menschen, die lange nicht gehört wurden – deren Schulen, Sprache, Ortstafeln jahrzehntelang politisch verhandelt wurden, als wäre ihre Existenz selbst eine Zumutung.
Ich weiß nicht, ob die Abstimmung „unfair“ war – aber ich weiß, dass sie nicht neutral war. Denn auch Geschichte schreibt nie aus dem luftleeren Raum. Sie ist Kind ihrer Zeit. Und oft auch Kind ihrer Machtverhältnisse.
Deshalb stolpere ich jedes Jahr ein bisschen über diesen Feiertag. Nicht, weil ich gegen Österreich bin. Sondern weil ich für ein Kärnten bin, das nicht ausblendet, wo Schmerz und Stolz sich berühren.
Ich will mir nicht anmaßen, die Wahrheit zu kennen. Aber ich glaube: Feiern ohne Fragen zu stellen und hinzusehen ist nicht mein Weg.
Ich habe keine endgültige Antwort. Aber ich glaube, es ist okay –vielleicht sogar notwendig – an einem Feiertag nicht nur Fahnen zu schwenken, sondern auch Fragen zu stellen.
Ich will wissen, wer nicht mitfeiern konnte. Ich will wissen, wer vergessen wurde. Ich will wissen, wie Versöhnung geht, wenn die Erinnerung oft so einseitig ist.
Und vielleicht beginnt echte Verbundenheit genau dort: Wo wir es aushalten, dass Geschichte nie nur eine Seite hat. Dass Heimat für manche auch Schmerz bedeutet. Und dass der Versuch, zu verstehen, manchmal mehr bewegt als jedes Denkmal.
Echte Heimat beginnt da, wo wir die ganze Geschichte aushalten. Nicht nur die bequeme.
Deine Sandra
PS: Wenn du selbst Teil der slowenischen Volksgruppe bist oder Perspektiven hast, die gehört werden sollten – schreib mir gerne. Ich lerne gerne weiter. Auch und gerade dort, wo ich nicht alles weiß.




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