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AutorenbildSandra Sabitzer

Pink Story: Ich liebe Geschichten

Aktualisiert: 27. Apr. 2021

Schenk dir ein paar Minuten zum Lesen - als kleine Auszeit untertags, abends vor dem Einschlafen oder beim gemütlichen Kaffee zwischendurch. Wie auch immer es dir gefällt. Lös dich für einen Moment vom Klicken und Scrollen, dem schnellen Kick der Stories und genieße!


Everybody loves a good story! Oder?



Ich liebe Fernseh-Serien, Filme, Bücher, Podcasts und natürlich Gespräche.


Auch Helena liebt Gespräche. Daher nutzt sie jede Gelegenheit die sich zum Austausch bietet. Helena ist dabei aber nicht unbedingt diejenige, die viel spricht. Also, natürlich spricht sie, sie kann auch sprechen und tut es auch, aber viel lieber hört sie zu. Es ist nicht so, dass sie schüchtern ist, oder verhalten, oder Angst davor hat zu sprechen. Es ist auch nicht so, dass sie nicht früher viel lieber geredet hätte. Irgendwie war da ständig das Gefühl in ihr, zu kurz zu kommen, wenn sie zuhört, und sie hatte ja schließlich echt viel zu erzählen. Sie hatte auch oft gute Ratschläge parat bzw. einfach auch schon ähnliche Dinge erlebt und dachte, sie könnte damit anderen helfen.


Versteh mich nicht falsch: reden ist super! Aber irgendwann hat Helena dann gemerkt, dass sie sehr wenig von den Anderen wirklich hört bzw. ihnen auch oft nicht den Raum gibt, wirklich zu erzählen. Sie hat schon zugehört, aber dann startete in ihrem Kopf sofort ein automatisches Programm. Sie hat die gesprochenen Worte gehört, aber doch durch ihre Bewertungen und Beurteilungen anders wahrgenommen, als sie vielleicht beabsichtigt waren. Bei gewissen Menschen hatte sie sogar das Gefühl, sie wüsste schon was sie sagen wollten – noch bevor sie es tatsächlich taten. War sie Hellseherin? Eher nicht, sie lauschte einfach nicht dem Moment – sondern war gedanklich schon „voraus“ und hörte nicht richtig zu.


Der Anstoß zur Veränderung kam, als ihre Oma krank wurde. Ihre Oma erzählte kaum aus ihrem Leben, denn meist war ja irgendwas zu tun – sich einfach hinzusetzen und zu reden, das fühlte sich irgendwie nach Zeitverschwendung an. Ihre Oma war jetzt auch nicht sonderlich „emotional“, ihr kam ihr Leben auch ganz normal vor, sie lebte es halt, was solle sie da schon erzählen, geschweige denn nachdenken oder nachgrübeln. Das mochte sie überhaupt nicht. Die Dinge waren nun mal wie sie waren.


Ihre Oma war im Krieg geboren worden, über diese Zeit sprach sie allerdings nicht oft. Auch nicht über ihre Jugend und die frühen Jahre als Mutter. Und zwischen Unkraut jäten und kochen blieb wenig Zeit für tiefgreifende Gespräche. Wenn sie also bei ihrer Oma zu Besuch war, gab es immer Arbeit – und nebenher lief das Radio oder der Fernseher. Seit ihr Opa vor einigen Jahren gestorben war, waren die ständigen Hintergrundgeräusche eigentlich normal. Wenn es dann mal Kaffee und einige Minuten ohne Arbeit gab, saßen sie sich gegenüber – und hatten sich irgendwie nichts zu sagen. Außer Gespräche über das Wetter oder die Nachbarn. Was sollte sie ihre Oma denn fragen? Was sollte sie ihr erzählen? Sie verstand ja sicher die Hälfte davon nicht…


Ihre Oma war jetzt aber krank. Krebs. Sie hatte in den letzten Jahren natürlich körperlich bereits etwas abgebaut, sie war ja schließlich auch älter geworden. Viele Tätigkeiten fielen ihr zunehmend schwerer. Immer wiederkehrende Bauchschmerzen führten zu einer Untersuchung, Diagnose Krebs. Metastasiert usw.


Die Geschichte könnt ihr euch vorstellen. Helenas Oma wollte keine lange Behandlung. Nach einigen Wochen also, der Krebs war bereits weiter fortgeschritten, begann Helena ihre Oma öfter zu besuchen. Die Hintergrundgeräusche waren bereits leiser, ihrer Oma war nun nicht mehr nach „Dauerbeschallung“. Sie bat Helena sogar darum ihr vorzulesen, sie selbst strengte es mittlerweile sehr an. Es waren Liebesromane, alte Klassiker und neue Geschichten, Familiensagen – und sogar ein Fantasy-Roman. Alles was halt so im Bücherregal stand. Und zwischen den Kapiteln, fing Helenas Oma an zu erzählen. Es waren kurze Geschichten, manchmal nicht mehr als ein Satz oder ein Kommentar. Helena fragte anfangs nach, bekam aber selten eine Antwort. Also lernte sie, noch genauer hinzuhören. Es gab auch oft einfach nur Stille. Im Gegensatz zu früher, wo die Stille oft unangenehm war, man hatte sich dann nichts zu sagen und „saß“ die Zeit einfach ab, war die Stille nun eine vollkommene Stille. Nichts fühlte sich fehlend an. Nichts wartete darauf ausgesprochen zu werden. Die Zeit schien irgendwie stillzustehen. Diese Momente waren voller Wunder. Manchmal schlief ihre Oma dann ein, während Helena ihre Hand hielt, manchmal starrten sie auch beide einfach ins Leere. Manchmal füllte sich die Stille mit Emotionen, mit einem Gefühl der Dankbarkeit, oder dem Gefühl der Fülle, oder auch dem Gefühl der Trauer oder der Melancholie. Manchmal begannen dann Tränen zu fließen. Mal still und leise, mal laut und schluchzend. Es war nicht nur der nahende Tod, der beide traurig stimmte. Es war oft fast so, als wollte die Trauer endlich gespürt werden. Wie auch die Freude. Alles durfte nun raus. Endlich. Es war irrsinnig befreiend.


Und in diesen Tagen und Wochen, als die Worte ihrer Oma irgendwann ganz versiegten, die Wachphasen weniger wurden, lernte Helena zuzuhören. Sie lernte, dass es egal war, wie lange man jemanden scheinbar kannte, dass es alles nur ein Gedankenspiel ist, denn wirklich kennen, kann man oft nicht mal sich selbst. Sie lernte, dass jede Begegnung die Letzte sein konnte, und in jeder Begegnung die Magie und Neugierde des Anfangs steckt. Sie lernte, dass nicht alles ausgesprochen werden musste, aber, dass alles gefühlt werden wollte. Sie lernte, dass sie keine Worte brauchte um in diesem Moment DA zu sein.


Helena liebt Geschichten. Die lauten und die leisen. Die Bilder, die Worte und die Bedeutung hinter den Worten, zwischen den Worten, im Moment. In der Stille des Augenblickes, ruht die Weisheit der Welt.


We all love a good story!


Pic: Sơn Bờm











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